Nach zwei Wochen auf Bali zog es uns weiter auf die nächste Insel: Java. Also schnallten wir die Surfbretter aufs Autodach packten unsere Rucksäcke auf die Rückbank und fuhren mit Lisi, Ringo und Seno los Richtung Fährhafen in Gilimanuk. Unzählige Reisfelder zogen an der Fensterscheibe vorbei, während der Regen auf die Pflanzen und unser Gefährt niederprasselte. Mit jedem Kilometer, den wir weiter in den Norden fuhren, nahmen die Touristenzahlen ab und die der Reisbauern zu. In Gilimanuk bekamen wir schnell einen Platz auf einer der vielen Fähren, die uns über den kurzen Seeweg, vorbei an der starken Strömung, zur bevölkerungsreichsten Insel Indonesiens bringen sollte. In Ketapang angekommen, hatten wir noch zwei Stunden Fahrt vor uns, für die wir uns erstmal in einem traditionell javanesischen Restaurant stärkten. Kurz vorm Ziel leuchteten uns dann schließlich die Dragonfruit Plantagen, die wie Weihnachtsbeleuchtung in die Dunkelheit strahlten, den Weg bis an unser Ziel, Pulau Merah.
Am ersten Tag zeigte uns Java, dass die Regenzeit noch nicht ganz vorbei war und begrüßte uns mit einem fetten Regenschauer. Auch mit dem Ramadan mussten wir uns erst anfreunden, denn Essen bekamen wir nur in einem Warung, der glücklicherweise den Fastenzeiten trotze und uns auch noch nach 4:30 Uhr Frühstück servierte. Sogleich wurden die Bretter gewachst und durch das Süßwasser vom Himmel zum Salzwasser über dem Sand getragen. Ein völlig leeres Line up ließ unsere Herzen höher schlagen, die beim Paddeln gegen die starke Strömung ihre höchste Pumprate erreichten.
Am Abend füllten wir unsere entsurften Energiereserven wieder mit Nasi campur auf oder genossen traditionelles Fisch BBQ, bei dem ein Ventilator erfolgreich als Befeuerungs-Hilfsmittel eingesetzt wurde. Natürlich durfte die obligatorische Gitarre nicht fehlen, die den Gesang unserer Meerwasser geölten Stimmen untermalte. Bevor wir mit Wellen vor dem inneren Auge ins wohlverdiente Traumland schaukelten, hörten wir noch den Regentropfen zu, die scheinbar unaufhörlich auf die Dächer trommelten.
Nach zwei Tagen am einsamen Strand von Pulau Merah ging es auch schon wieder weiter ins Trockene. Unsere surfbaren Untersätze kamen wieder auf unseren fahrbaren, mit dem wir uns zurück zur Grenzstadt Banyuwangi aufmachten. Dort hieß es Abschied nehmen von unseren indonesischen Bekannten und leider auch von Lisi! Während die drei ihre Weiterreise nach Bali antraten, kamen wir in einem typisch indonesischen Hotel unter, das für den unschlagbaren Preis von 7€ für ein Doppelzimmer nicht nur Frühstück, sondern auch eine eiskalte Schöpfdusche und eine süße kleine Maus inkludiert hatte. Unseren überraschenden Untermieter beförderten wir mit vereinten Kräften hinaus in artgerechteres Gebiet und freuten uns auf langes Ausschlafen. Da hatten wir jedoch die Rechnung ohne die Muezzine gemacht, die von den fünf Moscheen, die uns umzingelten, ab 4:30 Uhr zum Fasten aufriefen. Mit ihren Gesängen schienen sie dabei, äußerst kompetitiv, lauter als die anderen seien zu wollen, was gegen Ende hin klang als würde der Gewinner neben uns im Bett stehen… Nachdem wir natürlich nach Sonnenaufgang kein Frühstück mehr im Hotel bekamen, stellten wir uns der Herausforderung Essen zu finden! Hungrig passierten wir einen geschlossenen Warung nach dem anderen und stolperten schließlich in den Vorgarten von Yacob, der gerade ein kleines Café eröffnet und durch seine Arbeit als Künstler und in der Touristenbranche viel zu erzählen hatte. 🙂 Den interessanten Vormittag schlossen wir ab mit einem Spaziergang durch die Stadt, wo wir doch noch den ein oder anderen offenen Warung fanden, der durch einen Vorhang die Bevölkerung – und anscheinend Gott – vor dem Anblick der essenden Genossen schützen sollte (oder vielleicht umgekehrt…). Wir beschlossen ab jetzt Wege über 100 Meter in indonesischen Städten definitiv immer mit dem Scooter zu fahren, da dies unsere (gefühlte) Sicherheit wohl drastisch erhöhen würde.
Bevor es zu unserem nächsten Abenteuer und Grund, warum wir uns in Banyuwangi aufhielten, ging, erweiterten wir unseren bescheidenen Indonesisch-Wortschatz in einem klitzekleinen Lokal. Die überaus netten Besitzern hielten den wohl ersten Besuch eines westlichen Touristen direkt fotografisch fest und wünschten uns einen guten Aufstieg zum Vulkan Ijen. Nach einer Stunde „Schlaf“ machten wir die Nacht zum Tag und fuhren um Mitternacht zum Anfang des Wanderweges. Um 2 Uhr passierten wir, ausgestattet mit Taschenlampe und Gasmaske (gegen die giftigen Schwefeldämpfe) den Eintritt und setzten über teils ziemlich steile Strecken einen Fuß vor den anderen bis zum ersten Aussichtspunkt. Dort kauerten schon die ersten Touristen und erhofften einen Blick auf die blauen Flammen zu bekommen. Der Weg hinab in den Krater, bis zu den im Dunklen leuchtenden Schwefeldämpfen war wegen erhöhten Messwerten gesperrt und so erspähten wir von oben die unwirklichen kleinen blauen Lichterschwaden. Für die Schwefelarbeiter, die „einen der härtesten Jobs der Welt“ machen und für einen Hungerlohn drei Mal täglich bis zu 90 Kilo Schwefel in ihren Körben schultern, um ihn dann zu Fuß hinauf zum Kraterrand zu tragen, galt die Sperre wegen der erhöhten Toxizität natürlich nicht. Wie die Vorboten der Hölle wandelten zwei von ihnen geisterhaft durch die Menge, die ganz still wurde als „Attention, the minors“ durch den Wind schallte. Die ersten Arbeiter hatten wohl schon in der ersten Stunde des Tages mit ihrer Arbeit begonnen… Nachdenklich atmeten wir durch unsere Gasmaske und bewegten uns weiter zum Ziel des Aufstiegs; dem Sunrise point. Der Weg führte uns knapp unter dem Kraterrand an der Außenwand vorbei, wo die Pflanzen wieder vor Lebendigkeit strotzen und uns dank ihrem Grün zu besserer Atemluft verhalfen. Kurz nachdem wir am Ende des Weges angekommen waren, war jegliche Wärme aufgebraucht und so zitterten wir im eiskalten Wind den ersten Sonnenstrahlen entgegen, die leider anfangs weniger für einen Temperaturanstieg, dafür aber ein traumhaftes Licht verantwortlich waren. Und so entwickelt sich aus dem Schleier der Nacht langsam der riesige Kratersee, das „größte Säurefass der Welt“, welches jegliche Chance auf Leben um sich auf den Wert seines pHs verringerte, während dahinter die begrünten Kegel diverser Vulkane sichtbar wurden. Nachdem wir uns irgendwann doch an der wunderschönen Wolkendecke satt gesehen hatten, traten wir unseren Heimweg an und marschierten vorbei an den Mienenarbeitern bis zum Eingang, wo wir die Schiunterwäsche wieder gegen kurze Hosen tauschten.
Mit einem kurzen Nap war die Nacht nachgeholt und versorgt mit unserem Ramadan-Essen – Keksen – begaben wir uns zum Bahnhof, wo unsere erste Fahrt mit Bob, unserem Surfboard, bevorstand. Ohne Stau, verrückte Überholmanöver und dem Gefühl, dass gleich das Fahrzeug auseinander fällt, dafür aber mit Blick auf die unendlichen Reisfelder und entspannter Geschwindigkeit gings auf den Schienen Richtung Probolinggo. Kurz vor 17:30 Uhr machte sich ein Gefühl der Vorfreude in den Sitzreihen breit während die Augen der muslimischen Passagiere ungeduldig auf das Essen starten, das sie vor sich ausgebreitet hatten. Als der Zug kurz bei einer Moschee stoppte, war es dann so weit: Mit dem ersten Wort des Muezzin Rufes wurden die Brotdosen geöffnet, die KFC Chicken Wings ausgepackt und die Pop Mie Suppen verschlungen. 🙂
Ziemlich erschöpft landeten wir am Abend in Probolinggo wo uns zwei kräftige Becak-Fahrer mit ihrer Fahrradrikscha zu einem schönen Homestay brachten. Den nächsten Tag nutzen wir, um Schlaf nachzuholen und die äußerst untouristische Stadt ein bisschen zu erkunden, bevor es Tags drauf weiter nach Semoro Lewangang, in höhere und damit auch kältere Lagen ging.
Im Bus fanden wir uns zu einer internationalen sechsköpfigen Backpackergruppe zusammen, die das gemeinsame Ziel hatte zum ‚King kong hill‘ zu wandern, um dort den Sonnenaufgang zu betrachten. Also genossen wir verfrühten Nasi Goreng, statteten uns mit Wollmützen aus und kappten mal wieder unsere Schlafstunden.
Um 3:30 Uhr ging der Aufstieg los, beleuchtet durch Stirnlampen, Mond und die Milchstraße (Danke an Max für das Foto!). In der Dunkelheit stapften wir steile Trampelpfade hoch und phantasierten über die Landschaft, die sich in der Abwesenheit des Lichtes versteckte. Mit den letzten Minuten unseres Aufstiegs hatte auch die Sonne den Horizont erklommen und präsentierte uns einen atemberaubenden Ausblick. Märchenhaft schlich der Nebel über dem Boden aus dem ein Vulkan mit einer derart unwirklichen Gestalt empor wuchs, sodass wir sprachlos auf das Bild vor unseren Augen starten, das langsam in Farbe getaucht wurde. Lange schauten wir diesem schönen Naturschauspiel zu, bevor wir uns wieder ins Tal begaben. Dabei wanderten wir vorbei an Gemüsefeldern, auf denen gerade fleißig geerntet wurde und belohnten uns in Semoro Lewangang mit einem großen Frühstück, bevor es müde und erschöpft zurück nach Probolinggo ging.
