Da hatten wir es fast nach Panama geschafft und schon wieder schlug der Surfvirus zu! Hier in Pavones, kurz bevor die Straße endet und einen nur mehr ein Marsch durch den Dschungel von Panama trennt, gehen die Uhren nach Ebbe und Flut und onshore und offshore Wind. Der Rio Claro beendet hier seinen Weg durchs Land und schlängelt sich um eine Sandbank bevor er das Meer mit Wasser speist. Mit Betreten dieses Dorfes, das zwei Stunden Busfahrt vom nächsten Bankomaten entfernt ist, scheint man in eine andere Welt einzutauchen: Eine Welt fernab von Straßenlärm, Hektik, Zeitdruck, Stress und Verantwortung. In dieser süßlich riechenden Hippiekommune liegt alles einen Steinwurf voneinander entfernt und wer sich so glücklich schätzen darf, dass er hier (kurzzeitig) wohnt, ist entweder hier geboren oder wegen der Welle gekommen. Die Welle: Ein Berg aus salzigem warmen Wasser, der sich langsam aufbäumt, um dann an der gleiche Stelle immer und immer wieder nach vorne zu brechen und mit seiner Kraft aus weißer Gischt Kinder und Erwachsene, die wieder zu welchen geworden sind auf ihren Brettern bis zum Strand befördert.
So sind auch wir wegen der (ehemals) längsten bekannten linksbrechenden Welle ins kleine Dörfchen gepilgert, um wieder einmal länger als geplant zu bleiben. 🙂 Direkt bei unserer Ankunft schien es aber eher so, als würden wir keine einzige Nacht in Pavones verbringen können, die extrem guten Bedingungen hatten nämlich so viele Surfer angezogen, dass es fast kein freies Zimmer mehr gab. Schlussendlich kamen wir aber dann doch die ersten zwei Nächte in einem äußert netten Gästehaus am Anfang der Straße unter. Danach zogen wir näher Richtung Meer ins Casa Olas, das sich eher als „Casa Austria“ entpuppte, da Kristin aus Oberösterreich hier als Freiwillige arbeitete und sich nach kürzester Zeit als ausgezeichnete Pavones-WG Mitbewohnerin herausstellte. Wir stellten schnell fest, dass offene Küchen, große Esstische und gemeinsames Kochen offenbar unweigerlich mit Surfhostels verknüpft sind und so befürchteten wir schon früh, dass die Weiterreise nach Panama noch ein Weilchen warten muss… 🙂
Am ersten Tag entschieden wir uns nach einer kurzen Wellenbeobachtung allerdings erstmal die Surfbretter stehen zu lassen. Obwohl wir es nicht gerne zugeben, aber 4-5 Meter hohe Wellen, und eine Meute, die mit Brettern die einem grade mal bis zum Hals reichen und Surferfahrung von etwas mehr als nur zwei Jahren ausgestattet war, liegen (noch) nicht ganz in unserem Level. Naja, ganz ohne Wellenreiten wollten wir den Ort nun auch wieder nicht verlassen und so machten wir uns Tag drauf auf zur „Baby-Bay“, welche adäquatere Bedingungen zu bieten hatte. Dort holten wir uns entweder blaue Flecken, duck-dive Erfahrung oder ein gemütliches Pläuschchen mit Kristin, dafür aber eher weniger (bzw. recht kurzen) Fuß-Brett Kontakt… Also mussten wir wohl oder übel raus aus dem Kinderpool und rein ins Sportbecken. Glücklicherweise nahm nach ein paar Tagen der „swell“ und damit auch die Gästeanzahl in Pavones ab und so saßen wir bald dort, wo ab 5.30 Uhr hart gepaddelt und schnell gesurft wird – auf der Pavoneswelle.
Brachte die allabendlich Lagebesprechung mit den Themen „tide“, „onshore wind“ und „swell direction“ hervor, dass eine earlybird Session angesetzt wurde, läuteten unsere Wecker noch vor Sonnenaufgang. Im Aufwachen fragte man sich manchmal ob man grade noch träumte, oder ob wirklich draußen schon über die „high tide“ geredet wurde. Meistens war letzteres der Fall und so packten Kristin und wir unsere Surfbretter und marschierten in der Dämmerung runter zu den anderen Surfern, die ebenfalls die Idee hatten, vor allen anderen unten zu sein. 🙂 Mit aufgehender Sonne erledigten wir unseren Morgensport und genossen danach ein umso größeres Frühstück, auf das (öfter ausgedehnte) Nap-Einheiten folgten. Dafür nahmen wir uns die im Hostel lebende Katze zum Vorbild, die am einem Tag wahrscheinlich mehr REM-Phasen durchlebte, als alle Gäste zusammen.
Abends liefen wir zu kulinarischer Höchstform auf: Die Entdeckung des Tico-Käse (an dieser Stelle nochmal Danke an Alex!) mischte die Reis/Nudeln-Gemüsesauce Eintönigkeit auf und beim riesigen Red Snapper, der frisch vom Fischerboot kam lief uns schon das Wasser beim Zubereiten im Mund zusammen. Eine kanadische Mehlspende brachte uns allabendliche Pancake-Freuden und unser Ökoherz schlug jedesmal höher, wenn der Schokomann vorbeiradelte, um uns mit handgemachter Bioschoko und Kakaobohnen versorgte. Waren die hungrigen Bäuche wieder gefüllt (und hatten wir einen vierten Mitspieler gefunden), kam der Doppelkopf-Teil des Tages. Leider teilte manchmal niemand unsere (etwas fordernde) Leidenschaft und so gaben wir zwar anderen Kartenspielen eine Chance, trauerten schlussendlich aber doch noch Doppelkopf nach..
Die Unwissenheit, dass Sonne nicht nur Haut, sondern auch Lippen und Augen verbrennen kann, führte leider zu schmerzlichen Erfahrungen. Während Thomas versuchte mit Virostatika seine Unterlippe vor einer feindlichen Übernahme durch Herpes zu schützen, äußerten sich Kathis Folgeschäden in einer Photokeratitis, die sie für ein paar Tage an ihre Sonnenbrille kettete. Auch nachdem die „I wear my sunglasses at night“ Zeiten vorbei waren, florierte der Pflegeprodukte/Medikamenten-Handel zwischen Kristins und unserem Zimmer. In der Not werden eben nicht nur die Mango gegen Wassermelone getauscht, sondern auch Bepanthen gegen Haarpflegeöl.
Auch wenn uns surfen, jonglieren, Kartenspielen und Sonne tanken sehr gut bei Laune hält, freuen wir uns schon auf Panama! Mal schauen, wann Kristin den Malerpinsel zur Seite legt und weiterzieht – vielleicht schaffen wir es dann auch diese Oase der Abgeschiedenheit zu verlassen. 🙂