Vom nördlichem Bergland in die Karibik: Ein harter, langer Weg…

​Unser Outdoor Erlebnis auf dem Vulkan gefiel uns so gut, dass wir beschlossen einen Abstecher in den Norden Nicaraguas zu machen, um dort einen Canyon zu durchwandern. Also kehrten wir den Städten den Rücken zu und machten uns von León auf nach Somoto. Mit jedem Meter, den sich der Chicken Bus weiter ins Hochland kämpfte, wurde das Wetter dem Monat Dezember angemessener und so brauchten wir am Ende gar unsere Pullover und langen Hosen. Dass die Bevölkerung hier von der Arbeit in der Landwirtschaft, vor allem dem Kaffeeanbau, lebt, konnte man schon im Bus erkennen: Der BMI der, in erster Linie weiblichen Einheimischen sank wieder unter Adipositas-Werte, während sich die Cowboyhut- und Gummistiefeldichte drastisch erhöhte. Außerdem waren wir wieder einmal von der Freundlichkeit, Sicherheit und Ruhe, die in diesem Gebiet herrschen, beeindruckt! Am Ende des Tages waren wir in unserer Unterkunft direkt beim Canyon und somit nur ein paar Kilometer von der Grenze zu Honduras angekommen. Familiäre Gefühle verschaffte Thomas nicht nur die Tatsache, dass wir in einer cabaña bei einer Großfamilie untergekommen waren, sondern auch dass hier auch eine Kielerin wohnte 🙂 Den Abend verbrachten wir mit unseren äußert netten Gastgebern Henry und Brian, die uns nicht nur Interessantes aus der nicaraguanischen Politik und Kultur, sondern auch alles über die geplante Canyon-Tour erzählten.

Am nächsten Tag freuten wir uns auf ein schönens Canyoning bei Sonnenschein im Rio Coco. Leider hatten wir aber nicht nur viel norddeutsches Blut in Somoto, sondern auch ebendieses Wetter: Nieselregen und Kälte… Schon im Zimmer fühlten wir uns in Bikini und Badehose nicht unbedingt so, als hätten wir bekleidungsmäßig die richtige Entscheidung für diesen Tag getroffen. Naja, rein in die Schwimmweste und die bereitgestellten Asics- bzw. Brooksschuhe und los gings mit unserem Guide Noel Richtung Fluss. Die anfängliche Wanderung hielt uns zwar noch warm, dieses Gefühl verflog aber schnell mit den ersten Schwimmeinheiten. Obwohl wir schnell mit Gänsehaut und blauen Lippen kämpften, entschädigte die wunderschöne Landschaft die ganze Zitterpartie. Außerdem hatten wir durch das suboptimale Wetter den Canyon fast ganz für uns alleine! Noel war stets darum bemüht uns den Tag so schön wie möglich zu gestalten und zeigte uns die besten (bis zu 20 Meter hohen) Punkte für Sprünge ins Wasser. Nach fünf Stunden wärmten wir uns beim Rückweg wieder auf, bevor es zuhause erneut unter die eiskalte Dusche ging. Gut, dass wir in unseren Rucksäcken auch Skiunterwäsche verstaut haben, die verschonte uns in diesem Fall wohl vor einer Erkältung.

Am nächsten Tag ging es wieder Richtung Süden in die Stadt Estelí, wo wir in unserem Hostel gleich die beste Sehenswürdigkeit entdeckten: Eine heiße Dusche! Nach 5 Wochen kaltem Duschen und einem dann doch etwas ausgeprägterem Canyon-Schnupfen war das das Highlight des Tages. 🙂 Leider hatten die anderen (und einzigen zwei) Sehenswürdigkeiten geschlossen. So genossen wir unsere drei Tage mit Stadtspaziergängen, bei denen wir uns die vielen „Mauer-Malereien“, für die Estelí bekannt ist, und wieder einmal eine Zigarrenfabrik anschauten. Außerdem planten wir unsere Weiterreise auf Little Corn Island, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Da wir keine 160$ für einen Flug dorthin zahlen wollten und generell sehr ungern fliegen, wählten wir die Option mit einem Cargo-Schiff auf die Corn Islands zu kommen. Die Auskünfte über die Abfahrtszeiten dieser Schiffe sind jedoch derart unterschiedlich, dass wir die geplante Abfahrt am Samstag Abend eher als Glücksspiel betrachteten.

Für unsere Reise zur Karibikinsel Little Corn machten wir uns am Freitag erstmal nach Juigalpa auf, um dort einen Zwischenstopp einzulegen. Also verließen wir den ruhigen Norden und waren bei unserer ersten Umstiegsstelle in Tipitapa (kein Scherz!) wieder im quirligen Lateinamerika angekommen. Dass eine Fahrt mit dem Chicken Bus meistens der mit dem 13A um 17 Uhr gleicht (für alle Nicht-Wiener: Ein völlig überfüllter Bus) ist mittlerweile schon selbstverständlich. Sobald der Bus aber stehen bleibt, schafft es mindestens ein Dutzend Straßenverkäufer durch den komplett vollgestopften Gang, um mit ihren über die Jahre geschulten Stimmen Snacks und Getränke an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Danach kann man noch allerlei sonstige, für eine Busfahrt sehr wichtigen Dinge, wie Kopfhörer, Haargummis, Uhren, Geldbörsen, CDs, etc. erwerben oder sein Handy-Guthaben aufladen lassen. Wenn es irgendwann auch die beleibteste Verkäuferin wieder hinaus geschafft hat, setzt sich der Bus in Bewegung. Jetzt übertönen nur noch die Geschichten der Bettler die 90er Jahre- oder Latino-Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt, bis zu allerletzt jemand, der seine Pillen mit Vitaminen bzw. Stoffen gegen Parasiten verkaufen will, die Bühne betritt. Und an der nächsten Haltestelle geht alles von vorne los… 🙂 Nach einigen Stunden erreichten wir die hügelige Stadt Juigalpa, wo wir uns gleich in ein Stadt bekanntes „Restaurant“ aufmachten, in dem anscheinend auch der Präsident ganz gerne einkehrt. Wir waren zwar nicht so begeistert, kamen aber gut gesättigt zurück zum Hauptplatz, den gerade hunderte Stare bevölkerten.

Am nächsten Tag ging es los auf die große Fahrt! Als erstes fuhren wir mit dem Bus durch Regen und Sonnenschein, vorbei an vielen kleinen Dörfern nach El Rama. Dabei wurden nicht nur Menschen von A nach B gebracht, sondern auch Lieferungen aller Art in Windeseile von den Ajudantes mit geheimnisvollen Zeichen auf- und abgeladen. Manchmal ist ja auch der Weg das Ziel und diese Fahrt war definitiv großes Realitäts-Kino. In El Rama angekommen, mussten wir uns zwar wieder einmal lange durchfragen, aber schlussendlich erfuhren wird, dass unser Plan, am Abend mit dem Schiff weiter zu reisen, aufgehen würde. Glücklich warteten wir am Hafen, bis wir um ca. 19 Uhr zum Schiff hinunter gehen konnten. Thomas hatte davor schon einen Blick auf das Gefährt erhascht und war ob der Größe etwas skeptisch. Als wir aber beide vor diesem etwas größeren Fischerboot, das sowohl an Deck, wie auch am „Dach“ voll beladen war, standen, wurde uns ein bisschen mulmig… Dass sich außerdem vier große Rinder darauf befanden, machte das Gefühl nicht besser. Während die Einheimischen sich die besten Plätze auf Holzplatten und Zwiebelsäcken schnappten, betraten wir etwas verunsichert das Boot mit dem Namen „Genesis VI“ und fragten uns in unseren europäisch-verwöhnten Gedanke, wo denn jetzt wohl unsere Plätze wären. Thomas ergatterte einen Platz auf den Holzstämmen und Kathi mietete sich eine Hängematte, welche vom Kapitän schnell mit ein paar Knoten am Gestänge des Daches festgemacht wurde. Leider hielt der eine davon aber nicht und Kathi und ihr eben gewonnenes Vertrauen segelten aus nicht unbeträchtlicher Höhe zu Boden. Unverletzt brauchte sie dann doch ein bisschen, bis sie sich wieder in die Hängematte legte, die diesmal eine Stunde halten sollte, bevor sie in der Mitte durch riss und zu einem endgültigen Ablehnen dieser Schlafgelegenheit führte. Währenddessen machte Thomas eine Begegnung mit einem Skorpion auf den Holzstämmen und so endeten wir auf einem Kübel Malerfarbe bzw. daneben auf dem Boden für die restliche Nacht. Da vier Rinder noch nicht genug waren, wurden in El Rama auch noch drei riesige Schweine auf tierquälerischste Weise aufs Boot gezerrt/getreten. Und so schipperten wir den Rio Escondido nachts entlang während uns die Sitzposition, die todesängstlichen Schreie der Schweine, der Güllegeruch und die Angst vor dem Skorpion jegliche Schlaf raubte. Nach 10 Stunden erreichten wir „El Bluff“, den letzten Ort an der Küste bevor es aufs offene Meer ging. Anscheinend hatte das Boot dem Kapitän nach noch einiges an Kapazität und so wurde ein riesiges Benzinfass und ca. 10 weitere Leute eingeladen. Völlig übermüdet überlegten wir während dem zwei stündigen Aufenthalt kurz die Genesis VI zu verlassen, verwarfen den Gedanken dann aber wieder. Kathi warf noch schnell eine Tablette gegen Reisekrankheit ein und nach dem Anlegen der Schwimmwesten starteten wir los in die Wellen der Karibik. Da der Kapitän das Schiff wirklich verantwortungsbewusst lenkte, fiel ein bisschen unserer Anspannung ab und obwohl die ersten sich bald anfingen zu übergeben, ging es uns noch verhältnismäßig gut. Eine Stunde später sah die Welt jedoch ein bisschen anders aus, denn auch Kathi sollte sich ab diesem Zeitpunkt für die restliche Fahrt eine gute Handvoll Male dem bald nicht mehr vorhanden Mageninhalt entledigen. Fast acht unendlich scheinende Stunden schaukelten wir zu Big Corn Island und dank Thomas‘ großartiger Fürsorge erreichten wir beide unverletzt das Ufer der Insel. Beim Verlassen der Genesis VI fiel uns ein Felsbrocken vom Herzen und vom Magen! Dass wir danach noch eine 30-minütige halsbrecherische Fahrt mit dem Motorboot nach Little Corn Island und eine ebenso lange Wanderung in der Dunkelheit durch den Wald vor uns hatten, erschien uns vergleichsweise einfach. Nach 32 Stunden auf den Beinen erreichten wir schließlich unsere Unterkunft und fielen nach einer Dusche und einem Essen hundemüde ins Bett.