Feliz Año Nuevo – ein aufregender Start ins neue Jahr

​Big Corn Island zeigte sich nach dem Dauerregen dann doch noch von seiner schönsten Seite! Im Sonnenschein erkundeten wir auf Fahrrädern die Insel mit ihren karibischen Stränden, vielen Kirchen und Kolonialhäusern. Ein Aufstieg zu einem Mirador, der eigentlich einen 360° Ausblick über die ganze Insel versprach, endete leider wegen des etwas schlecht gewählten Schuhwerkes und nicht vorhandener Beschilderung mit einer Schlammpackung für unsere Füße neben dem Handyempfangsmasten, dafür aber in großem Gelächter. Wenn am Abend wieder der Sturm aufzog, kochten wir bei grandiosem Ausblick über das Meer oder machten es uns mit einem Buch in der Hängematte gemütlich.

Am Donnerstag sollten wir dann endlich unsere Rückreise zum Festland antreten. Da wir wussten, dass doch kein großes Versorgungsschiff, sondern nur die „kleine“ Fähre „Rio Escondido“ (von der wir schon die schlimmsten Seekrankheits-Geschichten gelesen hatten) fahren würde und unsere traumatische Anreise noch nicht weit genug zurück lag, behielten wir uns vor, nach einer Begutachtung des Schiffes wieder umzudrehen und den Flughafen anzusteuern. Im Hafen angekommen, waren wir aber mehr als überrascht, wie „groß“ die Fähre war. Außer wegen der Straftäter, die in Handschellen vor uns auf das Schiff geführt wurden, hatten wir keinerlei Bedenken und begaben uns vertrauensvoll auf die Rio Escondido in gespannter Erwartung, dass Kathi diesmal die Tablette gegen Seekrankheit länger bei sich behalten würde. Und diesmal hatten wir Recht: In nur vier Stunden „surften“ wir entspannt übers Wasser und kamen in Bluefields an, ohne das Frühstück ans Meer übergeben zu haben. Glücklich betraten wir das Festland und entschieden uns auch noch die letzte Etappe der Wasserreise an diesem Tag zu nehmen. Durch einen Hinterhofdurchgang, der eher an einen Mafiosi-Film erinnerte, gings zum Ticketschalter für die kleinen Schnellboote – pangas – die einen in nur 2 Stunden nach El Rama bringen. Nach ein paar Bissen Kokosnuss-Brot gings auch schon in das Bötchen, das kurz aus der Anlegestelle reversierte, um danach mit 60km/h über das Wasser zu brettern. Man wusste anfangs nicht was schlimmer ist: Der ohren- und Gesichtshaut-betäubende Wind oder die Bandscheibenvorfalls-Vorgeschmäcker, wenn das Wasser etwas rauer wurde und das Aufkommen auf den Wellen unangenehmer. Doch wie so oft zaubert mitten in diesen Momenten die Landschaft das schönste Bild hervor und so sausten wir, begleitet von einem Vogelschwarm, hinein in den Sonnenuntergang.

In El Rama waren wir uns einig erstmal länger keine Bootstouren mehr zu machen und bezogen ein schönes und super günstiges Hotel bevor der Himmel sich mal wieder in dicken Tropfen ergoss. Am nächsten Tag hatten wir erstmal genug vom karibischen Regen und setzten uns in den Chicken-Bus, der uns mit den gepolsterten Sitzen und den Möglichkeiten, sich bei Regen zu schützen bzw. bei Übelkeit sofort aussteigen zu können, wie ein Luxus-Liner vorkam. Schon bald konnte man erkennen, dass wir wieder im Rinder-Bundesland Chontales angekommen waren, denn die Werbungen der Mobilfunkanbieter wichen zunehmend derer von Agrar-Pharma-Produkten. In Juigalpa stiegen wir in einen Microbus, der bei europäisch langen Beinen noch beklemmendere Gefühle auslöst, und fuhren nach Boaco. In der „Stadt mit zwei Ebenen“ landeten wir in einem superschönen, edlen Hotel, das uns mit einem Blick über die halbe Stadt gerade für Silvester perfekt erschien.

Boaco bietet zwar nicht viele Sehenswürdigkeiten, kann mit seinem Charme, der sich über die hügeligen Straßen erstreckt und den tollen Ausblicken aufs umgebende Bergland trotzdem beeindrucken. Die letzten Tage des Jahres 2016 verbrachten wir deshalb mit Spaziergängen durch die Stadt, dem Einkauf von in Nicaragua so beliebten Feuerwerken und einem open-air Training mit Blick über die Stadt.

Den Silvesterabend starteten wir mit einem leckeren Essen, bevor wir, dank Stromausfalls in der ganzen Stadt, im Stockdunklen den Weg zum Hotel antreten mussten. Am Hauptplatz dienten die Scheinwerfer eines Autos als provisorische Beleuchtung für die Folklore Band, deren Stimmenstärke ohne Mikros auf die Probe gestellt wurde. Rechtzeitig für den Jahreswechsel gingen dann aber unter freudigen Erleichterungsrufen die Lichter wieder an und die Folklore Band musste einem schlechten Raperduo weichen. Ein Versuch das Niveau des Abends durch einen Besuch der Silvestermesse noch ein bisschen zu heben, scheiterte leider durch die Omnipräsenz von Maria während des gesamten Gottesdienstes. Deshalb machten wir es uns auf unserer Dachterasse gemütlich und Thomas startete die ersten Raketen. Pünktlichkeit um Mitternacht stieg die ganze Stadt mit ein und bescherte uns ein kurzes, aber schönes Feuerwerk.

Unsere erste Erkenntnis im Jahr 2017: An Feiertagen ist es ratsam auf Busreisen in Nicaragua zu verzichten! Da nämlich nur die Hälfte der Busse bei (gefühlt) gleichbleibendem Passagieraufkommen fährt, bekommt das Wort Überfüllung eine ganz neue Bedeutung… Nachdem wir mit unendlich vielen Leuten auf engste Tuchfühlung gegangen waren, landeten wir wieder einmal in Masaya, wo Thomas in einem Casino sein Reisebudget ein kleines bisschen aufstockte. 🙂

Am nächsten Tag stand uns glücklicherweise nur eine kurze Fahrt bevor, um in unser neues Zuhause für die nächste Woche zu kommen: Die Spanischschule „La Mariposa“ in San Juan de la Conception. Dort wohnten wir bei einer sehr netten, regierungstreuen Gastfamilie, bestehend aus Melba und ihrem Mann, sowie drei Söhnen und dem süßen Hund Donkey! Am Vormittag durften wir Spanischunterricht in entspanntem open-air „Klassenzimmern“ (leider auch mit Milliarden von Mücken) genießen und am Nachmittag gings zur Freiwilligen-Arbeit. Während Thomas auf einer Bio-Farm Beete anlegte und Pflanzen wässerte, machte Kathi mit Kindern in einer Nachmittagsbetreuung Hausaufgaben und Spiele. Neben so viel Erwachsenen-Leben blieb zwar wenig Energie und Zeit für anderes, wir hatten aber trotzdem eine wunderbare Zeit mit Einheimischen und Schülern. Unser Spanisch-Level erhielt durch die intensive Woche einen ziemlichen Boost und es war schön zu sehen, dass man die Bewohner (die alle darauf eingestellt waren, mit den Weißen, die ihr Dorf bevölkern, deutlich und langsam zu sprechen) einwandfrei verstehen konnte. 🙂

Am Wochenende stand auch noch die Besichtigung des Mombacho auf dem Plan. Mit einer Gruppe aus 15 Mitschülern waagten wir die Achterbahnfahrt über die äußert steilen Straßen zum Kraterrand, der aber leider gänzlich in den Wolken hang… Jetzt musste eben die Phantasie für die Aussichtspunkte herhalten 🙂 Zum Schluss hatten wir dann doch noch Glück und konnten einen herrlichen Ausblick bis nach Granada erhaschen. Durch den „Wolken-Wald“ hindurch gings wieder zurück, wo wir den Rest des Tages noch im Mariposa verbrachten.

Nicaragua verabschiedete sich am letzten Tag ganz authentisch von uns: Direkt vor der Haustür unserer Gastfamilie fand ein Boxkampf statt, der natürlich allen Sicherheitsvorkehrungen entsprach. Auf dem Asphaltboden wurde eine Plastikplane gelegt und mit ein paar gespannten Schnüren war in „nur“ fünf Stunden ein Boxring errichtet. Unter den Jugendlichen, die an diesem Tag ihr Können unter Beweis stellten, war auch unser Gastbruder, der in der oberen Riege mitkämpfte. Vor dem letzten Kampf geriet vor allem der Moderator in Aufregung als ein weißer SUV vorfuhr und eine offensichtliche prominente Person inklusive Polizeischutz ausspuckte. Nachdem uns unser Gastvater erklärte, dass es sich hier um den amtierenden vierfachen Weltmeister im Leichtgewicht handelt, wollten wir, sowie das gesamte Publikum, natürlich auch ein Foto mit Chocolatito Gonzales. Und so ging unser letzter Tag im wunderschönen Nicaragua erlebnisreich zu Ende!